Wie Caritas-Einrichtungen Gemeinschaft gegen Einsamkeit helfen
Gemeinsam gegen Einsamkeit: In den bundesweit rund 540 Mehrgenerationenhäusern begegnen sich Jung und Alt, lernen voneinander, leben Gemeinschaft. Auch weil sich etwa 30.000 Ehrenamtliche engagieren. Einige der Häuser organisiert die Caritas, drei stellen wir vor.
LÜNEBURG: Hilfe bei Sprache und Smartphones
Der Anblick ist gewohnt und löst bei Claudia Kuchler doch immer wieder Freude aus. Am Tisch im Café sitzen eine Studentin und ein Senior zusammen. Beide haben ihre Mobiltelefone in der Hand und unterhalten sich. "Die ehrenamtlich angebotenen Medienberatungskurse sind bei uns kaum mehr wegzudenken. Sie werden enorm nachgefragt", sagt die Leiterin des Mehrgenerationenhauses.
Über 80 verschiedene Aktivitäten finden unter dem Dach des Geschwister-Scholl-Hauses statt. Gemeinsame Träger sind der Caritasverband Lüneburg und die Hansestadt Lüneburg. Für alle Generationen gibt es neben den Medienkursen Sport- und Spielegruppen, Kreativ- und Nährteffs, Bildungs- und Beratungsmöglichkeiten, Kochtreffs, Erzählcafés und Frühstücksgespräche.
Die Wunschgroßeltern Eckard G. und Heidi H. erkunden mit ihrem Wunschenkel die Natur und genießen auch mal zusammen ein Eis."Mehrgenerationenhaus Lüneburg
Sehr gefragt: Wunschgroßeltern
Über 130 Ehrenamtliche füllen das Haus mit Leben, darunter Schüler:innen, Studierende, Menschen zwischen 30 und 65 Jahren sowie Senior:innen. Sie initiieren viele Angebote selbstständig oder engagieren sich etwa als Sprachpat:innen für Menschen mit Migrationshintergrund. "Hier können alle unkompliziert mitmachen. Sprachpat:innen und Lernwillige treffen sich einmal in der Woche, gehen spazieren, setzen sich in den Park oder in ein Café und sprechen miteinander." So lernen geflüchtete Menschen die deutsche Sprache und die Engagierten andere Kulturen kennen. Das kommt an. Inzwischen haben sich 70 Sprachpatenschaften gefunden.
Um Generationen zu verbinden, haben sie hier auch das Wunschgroßelternprogramm gegründet. Anfragen können junge Familien, die sich eine Oma oder einen Opa für die Kinder wünschen. "Wunschproßeltern sind aber keine Babysitter - unsere Omas und Opas wollen Kontakt zur ganzen Familie und sich zu selbstbestimmten Zeiten verabreden", erzählt Claudia Kuchler. Die Wunschproßeltern schenken den Kindern gemeinsame Zeit. "Einfach da sein, spielen, Natur entdecken, backen, kochen oder malen." Das Miteinander zwischen den jungen Familien und den Senior:innen ist für die seelische Gesundheit aller wichtig. "Es hilft gegen Einsamkeit, unter der besonders Alleinsehende heute leiden." Und es entlastet junge Familien.
Im Café gibt es Frühstück, Mittagessen und immer ein offenes Ohr; gemeinsamer Spaß inklusive.Mehrgenerationenhaus Bensheim
BENSHEIM: Paten helfen Benachteiligten
Sie sind berufstätig oder in Rente, Handwerker oder Lehrerin, männlich, weiblich und divers. Die "Paten für die Zukunft" sind Ehrenamtliche, die im Mehrgenerationenhaus Bensheim benachteiligten jungen Erwachsenen den Weg in den Arbeitsmarkt ebnen. "Pat:innen helfen unseren Teilnehmenden, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, und unterstützen sie beim Bewerbungstraining oder beim Gang zu den Behörden", erzählt Stefanie Burdow vom Caritas-Zentrum Franziskushaus, seit 2007 gefördert durch das Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus des Bundesfamilienministeriums. "Aber noch wichtiger ist es, dass die Pat:innen Rückhalt bieten und Mut machen", fügt die Leiterin des Hauses hinzu. Jasmin aus Bensheim hat das erfahren. Nach der Schule beginnt sie eine Ausbildung, bricht sie ab, bekommt Probleme und wird aus der Bahn geworfen. Doch sie hat Glück: Das Franziskushaus vermittelt sie in eine Patenschaft. Eng und empathisch betreut, schließt sie ihre Ausbildung im Hotelfach ab. Heute verdient sie ihren Lebensunterhalt selbst. Solche Erfolgsgeschichten gibt es viele. "Manchmal braucht es einfach nur jemanden, der einem den Rücken stärkt", weiß Stefanie Burdow. "Unsere Patinnen und Paten glauben an die jungen Menschen, und wenn etwas klappt, feiern sie mit ihnen ihre Erfolge." Aktuell laufen zehn Patenschaften und es gibt viele weitere Angebote für Jung und Alt.
Die Ehrenamtlichen machen Mut und helfen bei der Jobsuche.Mehrgenerationenhaus Bensheim
"Die Bensheimer haben schnell erkannt, dass sie sich hier im Mehrgenerationenhaus melden können, wenn sie sich sozial engagieren möchten", sagt die 29-jährige Sozialarbeiterin. Aktuell engagieren sich rund 60 Ehrenamtliche im Mehrgenerationenhaus. Das Café Klostergarten im Erdgeschoss gehört dazu. Von Montag bis Freitag gibt es Frühstück und Mittagessen. Hier findet auch ein offener Treff statt, der verschiedene Angebote umfasst. Dazu gehören die Smartphone-Sprechstunde, der Handarbeitstreff, ein Spielenachmittag und das Begegnungscafé, das ein offenes Angebot für Jung und Alt bereithält.
Wer die Angebote im Haus nicht wahrnehmen kann, den besuchen Ehrenamtliche auch zu Hause. Zudem vermittelt das Mehrgenerationenhaus Wunschgroßeltern. "Die Wunschgroßeltern und die Kinder verbringen eine tolle Zeit - sie gehen zusammen auf den Spielplatz, lesen gemeinsam im Bilderbuch, erzählen Geschichten oder besuchen ein Museum." Im Franziskushaus ist inzwischen auch eine Malgruppe von und für Menschen mit psychischen Erkrankungen entstanden. "Das Mehrgenerationenhaus schafft einen Ort der Begegnung und fördert das Miteinander verschiedener Generationen. Das ist toll", resümiert Burdow am Ende.
SCHWERIN: Ring frei für junge Menschen
Während im Hinterhof des Mehrgenerationenhauses in Schwerin-Krebsförden fleißige Engagierte Hochbeete jäten, rattern innen Nähmaschinen und im Boxkeller üben Jugendliche ihre Schlagtechnik. Das ganze Haus hier ist voller Leben. "Mit den Jahren haben wir das Vertrauen der Menschen im Stadtteil Schwerin-Krebsförden gewonnen. Die Leute kommen gern und fühlen sich wohl", sagt Mandy Gagzow. Sie ist die Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses der Caritas. "Unser Haus ist für die Menschen hier im Stadtteil sehr wichtig", sagt sie. Während die jüngeren Besucher sich bei Sport und Spiel auspowern, gehen die älteren zum Beispiel wandern. "Sie sammeln Pilze oder unternehmen eine Hafenrundfahrt." Für jeden Besucher, jede Besucherin des Mehrgenerationenhauses gibt es Angebote, die Abwechslung in den Alltag bringen. "Viele sind allein, sie suchen bei uns Kontakt zu anderen", sagt Gagzow. Das funktioniert auch beim Billard oder Skat. Andere kochen lieber. Ehrenamtliche organisieren die Angebote. Die Fachberatung für Familien mit Kleinkindern indes liegt in den Händen der Hauptamtlichen.
Im Ring lernen Jugendliche von ihrem Trainer Detlef Krause nicht nur Schlagtechniken, sondern auch, wie man sich im Leben bewegt.Mehrgenerationenhaus Schwerin
Im Boxkeller, einem ehemaligen Abstellraum, ist Detlef Krause der Chef. Der ehemalige DDR-Meister im Halbmittelgewicht und Boxtrainer bringt im Mehrgenerationenhaus Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Boxsport näher. Unter seiner Anleitung üben sie Koordination, Schlagtechnik und Beinarbeit. Mehrere Trainingseinheiten pro Woche bietet der 61-jährige Boxtrainer an. Auf Pünktlichkeit, Respekt und Ordnung legt er viel Wert. Gerade wegen seiner Autorität schätzen ihn die jungen Menschen und kommen manchmal auch mit ihren Sorgen zu ihm. Mit dem Team des Mehrgenerationenhauses sucht Krause dann eine Lösung – und findet sie auch regelmäßig.