Gut 150 Trägervertreter und Leitungskräfte von katholischen Kindertageseinrichtungen nahmen an einer Veranstaltung der Caritas im Kloster Plankstetten teil. Foto: Caritas/Peter Esser
"Kinderschutz darf nie bloße Verpflichtung sein, sondern muss Teil einer professionellen Haltung sein." Mit diesen Worten hat der Eichstätter Caritaspräses Alfred Rottler begründet, warum der Diözesan-Caritasverband am Dienstag im Kloster Plankstetten zwei Veranstaltungen zu dieser Thematik für die Trägervertreter und Leitungskräfte der katholischen Kindertageseinrichtungen im Bistum Eichstätt durchführte. Daran nahmen insgesamt gut 150 Verantwortliche teil. Das zuständige Referat Kindertageseinrichtungen des Caritasverbandes hatte dafür Prof. Dr. Jörg Maywald aus Berlin, eine Koryphäe auf dem Gebiet des Kinderschutzes, zu einem Vortrag über "Fehlverhalten und Gewalt durch Fachkräfte - Warum Wegschauen nicht hilft" eingeladen.
Prof. Dr. Jörg Maywald gab einen umfassenden Überblick zum Thema Kinderschutz. Foto: Caritas/Peter Esser
Der Referent gab zunächst einen historischen Überblick über die Entwicklung des Kinderschutzes. Ein erster großer Meilenstein war nach Maywalds Worten, dass sich vor rund 2000 Jahren ein Tötungsverbot an Kindern durchgesetzt hatte. Daran hätten die großen monotheistischen Weltreligionen - das Judentum, das Christentum und später der Islam - erheblichen Anteil gehabt. Dennoch sei es weiterhin über Jahrhunderte selbstverständlich geblieben, Kinder mit Gewalt zu erziehen. Zwar seien vor rund 200 Jahren Ausbeutungen und Misshandlungen von Kindern verboten worden, doch sei es noch lange bis ins 20. Jahrhundert erlaubt geblieben "angemessene Zuchtmittel zu gebrauchen". Maywald berichtete, dass er sich selbst noch an Stockschläge von Lehrkräften zu seiner Schulzeit erinnern kann. Einen Durchbruch zum absoluten Gewaltverbot habe es 1989 mit der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen gegeben, die für alle Kinder unter 18 Jahre gilt. Bis auf die USA haben alle UN-Mitgliedsstaaten diese Konvention ratifiziert. Maywald ermutigte die Fachkräfte in Kitas, auf diese Konvention zu verweisen, wenn sie Gewalt an Kindern - aus welchem Land sie auch immer stammen - mitbekommen.
Sexuelle Missbrauchsskandale erschütterten Republik
Vor allem in den letzten 15 Jahren hat schließlich nach den Worten Maywalds die Problematik "sexuelle Missbrauchsskandale" eine große Rolle gespielt. "Das hat die Republik erschüttert", so der Referent. Diese Problematik habe aber mehr stationäre Einrichtungen als Kitas betroffen. Letztere hätten diesbezüglich zwei natürliche Schutzfaktoren: Erstens fänden in Kitas keinen Begegnungen nachts statt und zweitens arbeiteten in ihnen selten Fachkräfte allein, sodass eine soziale Schutzkontrolle gegeben sei. Dennoch gebe es auch in Kitas Kinderschutzprobleme. "Jede vierte Interaktion ist nicht kindgerecht und jede zwanzigste Interaktion stellt eine Kinderschutzverletzung dar", erklärte der Referent und ergänzte: "Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht." Er erwartet aber, "dass solche Fehler nicht unter den Teppich gekehrt werden und man sich dem unerreichbaren Ziel ‚gewaltfreie Erziehung‘ annähert". Laut dem Referenten fehlen allerdings für pädagogische Fachkräfte - anders als beispielsweise für Ärzte - klare Leitlinien, wie sie sich verhalten sollen. In diesem Zusammenhang forderte er, "dass Kinderrechte endlich in die Verfassung aufgenommen werden müssen". Maywald machte in seinem Vortrag auch deutlich, "dass Kinderschutz viel mehr ist als Gewaltschutz". Zum Kinderschutz gehöre auch der Unfallschutz. "Deshalb darf in einer Kinderkrippe zum Beispiel nicht einfach so ein Spülmittel herumstehen." Zudem gehöre zum Kinderschutz der Schutz der Privatshäre. "Daher müssen beispielsweise Kinder die Toilettentür schließen können." Des Weiteren nannte der Referent das Recht des Kindes vor schädigenden Medieneinflüssen und den Schutz vor Diskriminierung, sei es aufgrund einer bestimmten Religion oder politischen Überzeugung der Eltern.
Maywald beschrieb zwei Fälle, über welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch untereinander diskutierten: zum einen den Fall eines fünfjährigen Buben, der in seiner Kita selbst angebaute Zucchini nicht essen will, "weil ich nur Nudeln esse". Diesem sagte eine Erzieherin: "Gemüse ist gesund. Wer es nicht wenigstens probiert, bekommt auch keinen Nachtisch." Hier, so Maywald, werde das Kind erpresst. "Der Nachtisch darf nicht als Belohnung oder Bestrafung eingesetzt werden." Im anderen Fall hielt eine Erzieherin einen Buben fest, als dieser aus ihrer Sicht andere Kinder mit Steinen bewerfen wollte. Daraufhin beschwerte sich der Vater des Kindes beim Jugendamt. Dieses machte sodann der Erzieherin zur Auflage, ein halbes Jahr lang nicht allein mit Kindern verbringen zu dürfen. Der Fehler lag in diesem Fall laut Maywald daran, dass die Kita den Fall nicht über ihren Träger dem Jugendamt selbst gemeldet hatte. Dann hätte die Aufsichtsbehörde möglicherweise nicht diese Auflage erlassen, so der Kinderschutzexperte.
Bistumsrahmenhandbuch für katholische Kitas vorgestellt
Petra Berwerz-Hein (links) und Maria Preischl stellten bei der Veranstaltung das Bistumsrahmenhandbuch für katholische Kindertageseinrichtungen im Bistum Eichstätt vor. Foto: Caritas/Peter Esser
Die Mitarbeiterinnen des Caritasreferates Kindertageseinrichtungen Petra Berwerz-Hein und Maria Preischl stellten bei der Veranstaltung das Bistumsrahmenhandbuch für katholische Kindertageseinrichtungen im Bistum Eichstätt vor. Aus Sicht von Petra Berwerz-Hein bietet dieses genau solch einen Leitfaden, der laut Maywald im Moment oft für pädagogische Fachkräfte fehlt. Das Bistumshandbuch sei Grundlage für eine werteorientierte Qualitätsentwicklung mit Inhalten zu den Bereichen Kinder, Eltern, Pastoraler Raum, Glaube, Träger und Leitung sowie Personal. An sechs Stellwänden konnten sich die Beteiligten tiefer mit dem Handbuch, das digital zur Verfügung steht, auseinandersetzen. Besondere Freude kam bei ihnen darüber auf, dass sich der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke OSB mit einer Videobotschaft an sie wandte. Dieser erinnerte an die Bibelstelle, in der Jesus die Kinder willkommen heißt und segnet, welche die Jünger zuvor abweisen wollten. Dabei hätten die Kinder Freude empfunden. "Und Sie tun auch alles dafür, dass diese Freude bei ihnen möglich ist", würdigte der Bischof die Leistung der Mitarbeitenden in den Kitas. Er legte diesen ans Herz, das Bistumsrahmenhandbuch als Grundlage für ihre Arbeit zu nehmen und sich vor allem mit den Qualitätsbereichen religiöse Erziehung sowie Zusammenarbeit von Kita und Seelsorge im pastoralen Raum zu beschäftigen.
Bei der Veranstaltung stellte sich auch die Interventionsbeauftragte des Bistums Eichstätt, Nadine Bauer, vor. Sie beschäftigt sich mit der Erstellung von Schutzkonzepten in Pfarreien und Vereinen und organisiert Schulungen im Bereich Prävention für Haupt- und Ehrenamtliche. Sie ist zuständig für alle Fälle von sexualisierter Gewalt, die von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden ausgeht. "Wenn es bei Ihnen in der Kita Beschuldigungen gibt, dann kommen Sie auf mich zu, damit ich sie vor Ort unterstützen kann", bat Nadine Bauer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung.